Seriöser Journalismus braucht professionelle PR.
Von Prof. Dr. Perry Reisewitz
Einen Satz wie diesen werden viele Journalisten als Affront betrachten, behauptet man doch damit, dass ihre Arbeit nicht durch sich selbst wirkt, sondern eine mediale Interessenvertretung benötigt. Die Medien selbst – Zeitungen, Zeitschriften, Verlage, Rundfunkanstalten, einzelne Sendungen – produzieren ja nicht nur Nachrichten. Sie machen auch Öffentlichkeitsarbeit für sich und ihr Angebot. Das gilt aber mehr für Marke und Produkt als für die journalistische Arbeit als solche. Kritisch, unabhängig, unbestechlich, der Wahrheit verpflichtet, so oder ähnlich sieht das Idealbild des Journalisten in der Fachliteratur aus. Die Realität ist – wie in den meisten Berufen mit hohen Idealen – meist nüchterner. Verlagsinteressen, Redaktionspolitik und Marktpositionierung engen die Freiheiten selbst bei uns oft ein.
Dabei ist diese Unabhängigkeit in der Berichterstattung ein wichtiges Gut. Denn professioneller Journalismus informiert auf der Basis verlässlicher Qualitätsmaßstäbe über kulturelles, soziales und wirtschaftliches Geschehen – Informationen, die wiederum die Basis für politisches und soziales Handeln, für kulturelles Leben und für wirtschaftliche Entscheidungen bilden. Oder anders herum: Ohne einen qualitativ hochwertigen, also unabhängigen, kritischen, reflektierenden Journalismus, ohne die gelebte Meinungs- und Pressefreiheit sähen unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft ganz anders aus.
In autoritären und totalitären Staaten potenziert sich dieser Druck. Journalisten werden funktionalisiert, ausländische Berichterstatter werden ‚eingebettet’ und kontrolliert. China gehört in diesen Tagen zu den prominenten Vertretern, ebenso Russland. Und dies nicht erst seit der Ermordung der russischen Journalistin Anna Politkowskaja am 7. Oktober 2006.
Wer eigenständig recherchiert, wer sich um eine umfassende Bestandsaufnahme bemüht, wer kritisiert und Missstände benennt, wer offen Dinge und Personen beim Namen nennt, wird bedroht und verfolgt. Die Vereinigung Reporter ohne Grenzen listet auf ihrer Website Dutzende solcher Beispiele auf.
Über die Gefahren, denen sich Journalisten aussetzen, um eine seriöse Berichterstattung zu ermöglichen, muss man reden. Auch darüber, was denn professioneller, unabhängiger, kritischer Journalismus eigentlich ist. Ich bleibe also dabei: Seriöser Journalismus braucht professionelle PR. Er braucht die mediale Interessenvertretung, damit die Argumente für seine Qualität im Bewusstsein bleiben, damit der öffentliche Druck, der positive Veränderungen bewirken kann, bestehen bleibt und damit diejenigen, die sich als Berichterstatter in Gefahr begeben, nicht darin umkommen.
Und – pro domo – glaube ich, dass seriöse PR seriösen Journalismus benötigt. Wer gute Argumente hat, der wird gehört. Wer Kommunikation professionell betreibt – und das bedeutet unter anderem transparent, umfassend, zielgerichtet, der behauptet sich im Markt der Meinungen, weil er als seriöser Ansprechpartner gilt.
Seriöse Informationen zu verbreiten ist aber manchmal gar nicht so einfach. Denn das Interesse der Mächtigen an öffentlicher Transparenz ist oft gering, Recherche also mühsam, manchmal gefährlich. Wenn Boris Reitschuster aus Moskau berichtet, dann widersetzt er sich als Auslandsberichterstatter den Beschränkungen, dem politischen Druck und auch den persönlichen Drohungen, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Er deckt Seilschaften auf, zeigt die Verwobenheit von Politik und Wirtschaft und beschreibt die Auswirkungen des politischen Systems auf die Menschen, die darunter leiden. Er ist einer der Vertreter dieses qualitätsvollen Journalismus, die mit ihrem persönlichen Engagement bewegen und verändern wollen.
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